Beckgasse 30
Josef Ple?nik, der große Architekt aus Laibach und Schüler Otto Wagners, baute dieses Jugendstilhaus im Cottage.
Der Besitzer, Baumeister Karl Langer, erstellte 1900 selbst den Plan für dieses Mehrfamilienhaus. Er sah eine historistische Fassade zur Straßenseite vor. Für die geplanten Veranden im ersten und zweiten Stock erhielt Langer keine Baubewilligung. Während der Fundamenterstellung bekam Josef Plecnik von ihm den Auftrag, eine Modernisierung des Hauses vorzunehmen. Es war dies die erste selbständige Arbeit des neunundzwanzigjährigen Architekten.
Auffassungsunterschiede gegenüber dem Auftraggeber zeigen sich z. B. in folgenden Äußerungen des Architekten: „Überhaupt aber – das Programm schon von Anfang an so dumm im Kopf des Hausherrn entstanden – daß in allen Fällen nichts Gesundes an den Tag gebracht worden wäre. Ich aber wollte exzeptionell sein – und das war richtig – wenn ich mich als Junger nicht austobe, werde ich mich niemals läutern.“ […]
Außen tauschte Plecnik das historistische Ornament an der Straßenfassade gegen Reliefmuster aus Blüten und Wellenlinien. „Eine Fassade ohne Dekor ist wie ein Mensch, der niemals lacht.” Form und Größe der Fenster wurden der Raumfunktion angepaßt, wodurch das Innere des Baues nach außen wirksam wurde, wie dies beispielsweise an den großen Salonfenstern oder kleinen Kabinettfenstern ersichtlich ist. Die doppelten Öffnungen unter den Küchenfenstern dienen der Entlüftung. Dies und die Tierplastik an der Fassade verweisen auf die Auseinandersetzung Plecniks mit Hector Giumard, dem Schöpfer des Castel Béranger in Paris.
Auffallend ist weiters die Bewegtheit der Fassade, welche sich auf der linken Seite in einer erkerartigen Ausbuchtung der Wand und in gewölbten Fensterformen zeigt. Diese sind aus der angelsächsischen Baukunst bekannt (bay window), erinnern aber auch an Formen des heimischen Biedermeiers. Die Erkerfenster und auch die unverdeckte Traverse lassen belgische Vorbilder erkennen.
„Als eine der in Frage kommenden Vorlagen für Plecniks Werk mag Hortas Hôtel Tassel (1893) in Brüssel gelten, das Ende der neunziger Jahre bereits weitgehend in das Bewußtsein moderner Architekten gedrungen war.” Weitere Einflüsse lassen sich von O. Wagner und J. M. Olbrich ableiten. So wären beispielsweise Stiegengeländer und Verputz im Stiegenhaus ohne die Mitarbeit Plecniks an der Planung der Wiener Stadtbahn unverständlich. Das Prinzip der Bewegung, welches sich in verjüngenden und verbreiternden Formen ausdrückt, wie dies z. B. bei der Erkerstütze und bei den Zaunpfeilern erkennbar ist, wird durch das in Serie gefertigte Rosenmuster im Verputz noch verstärkt. Dieses Ornament breitet sich gleichmäßig über die ganze Fassade aus. […]