Bezirksgeschichte

Die Geschichte des Hauses Angermayergasse 1

Das Gebäude hat eine bewegte Geschichte. Derzeit ist es Standort der Hochschule für Agrar-und Umweltpädagogik Wien.

Auf einem ca. 26 000 Quadratmeter großen ausgedehntem Grundstück, das die Anhöhe des Tratzerberges in Wien – Ober St. Veit einschließt, stand mit großer Wahrscheinlichkeit bereits um 1800 ein Gebäude. Der Besitz ist im Franziszeischen Kataster-Plan von 1819 eingezeichnet und das damals einzige, abseits der bestehenden Straßenzüge gebaute Anwesen.



Meta und Leopold Blum haben das Grundstück einschließlich der Villa in der Angermayergasse 1, am 12. Februar 1918 vom Großindustriellen Direktor Isidor Schlesinger gekauft. Das Ehepaar stammte aus Ungarn und hat in Wien ein gut gelegenes Grundstück in unmittelbarer Nähe zum gemeinsam geführten Unternehmen mit dem Geschäftspartner Leopold Haas, gesucht.



Leopold Blum war Präsident der Österreichischen Linoleum-, Wachstuch- und Kunstlederfabriken Aktiengesellschaft in Wien. Darüber hinaus war er geschäftsführender Verwaltungsrat der Linoleum Aktiengesellschaft Blum-Haas im 13. Wiener Gemeindebezirk, Eitelbergergass 18.



Leopold Blum hat die Österreichische Linoleum-, Wachstuch- und Kunstlederfabriken Aktiengesellschaft 1922 in Traiskirchen (NÖ) gegründet. Ein weiterer Standort befand sich in Brunn am Gebirge (NÖ) in der Feldgasse 14 wobei insgesamt 400 – 500 Arbeiter beschäftigt waren. Dieses Unternehmen produziert auch heute noch unter derselben Firmenbezeichnung in Traiskirchen Spezialtextilien.



Leopold Blum gab im Jahr 1921 den Auftrag die bisherige Villa abzutragen. Zwischen 1922 und 1923 wurde eine neue Villa nach den Plänen des Architekten Carl Witzmann errichtet.



Die im Gegensatz zum Vorgängerbau (gegen Westen gerichtet) nun nach Süden gelegene Hauptfassade ist dreigeschossig ausgebildet. Durch die Hanglage zeigt sich das Soutterrain im Süden als Erdgeschosszone. Alle Fenster sind fein gesprosst und nach oben durch gekurvte, vertiefte Mauerflächen abgeschlossen. Die Formelemente verweisen auf die Architektur des Biedermeier. Auch die Nordseite, mit der von Pfeilern getragenen Loggia, entspricht den bei Witzmann immer wieder erkennbaren Einflüssen Josef Hoffmanns und ihrer Verbindung mit Elementen des Klassizismus.



Am 10. Mai 1932 erfolgte die Eigentumsübertragung der gesamten Liegenschaft in der „Angermayergasse 1“ an die von Leopold und Meta Blum adoptierte Tochter Lucy Blum. Aufgrund der äußeren Umstände emigrierte die Familie Leopold Blum im Jahre 1938 in die USA. Lucy Mertens hat sich gemeinsam mit ihrem Ehegatten Friedrich nach Paris abgemeldet.



Beschlagnahmung durch die Gestapo



Am 22. November 1941 wird das gesamte Vermögen sowie alle Rechte und Ansprüche des Ehepaares Mertens zu Gunsten des Deutschen Reiches von der Geheimen Staatspolizei beschlagnahmt. Als Begründung ist in der Beschlagnahmeverfügung festgehalten: „Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mit dem Ziele der späteren Einziehung zu Gunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt.“



"Verkauf" an Ernst Heinkel



Das Deutsche Reich verkauft am 7. September 1942 und übergibt an Prof. Dr. Ernst Heinkel in Rostock die, dem Deutschen Reich verfallenen Gebäude und Grundstücke in der Angermayergasse 1.



Der Gründer der Ernst-Heinkel-Flugzeugwerke ließ 1943 die Villa adaptieren und an der Ostseite einen dreiachsigen Anbau errichten. Im Soutterain entstanden ein Archiv und Entwurfsbüros, im Erdgeschoss ein Modellraum, Arbeitszimmer und eine Halle, im ersten Stock wurden ebenfalls Arbeitsräume und eine Halle errichtet. Der Architekt für diese, der Rüstung dienenden Um- und Einbauten war Hans Payer. Die in den Südhang gegrabenen alten Kelleranlagen wurden von Heinkel ausgebaut und dienten während des zweiten Weltkrieges zur Herstellung von Flugzeugmotoren. Nach dem Krieg waren der Räume Obstlager; heute sind sie wegen des eingedrungenen Grundwassers gesperrt. Ein Großteil der Anlage ist infolge Abmauerung überhaupt nicht mehr zugänglich.



Restitution an Lucy Mertens



Lucy Mertens lebte 1949 in der Dominikanischen Republik. Von dieser Adresse aus erfolgte das Restitutionsansuchen gegenüber den damaligen Besitzer Ernst Heinkel.



Frau Lucy Mertens hat um Rückstellung Ihrer Immobilien bei der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien angesucht. Diesem Antrag wurde in Zuge einer Verhandlung am 24. November 1949 unter Abschluss eines Vergleiches stattgegeben.



Am 26. Juni 1950 tauschte sie die Villa einschließlich des Areals in der "Angermayergasse 1" mit den Liegenschaften Ihrer Mutter, Fr. Meta Blum welche diese von ihrem verstorbenen Ehegatten geerbt hatte.



Verkauf an die Republik Österreich zur Errichtung eines Bundesseminars



Der Verkauf der Liegenschaft in der Angermayergasse 1 erfolgte am 17. Oktober 1952 von Fr. Meta Blum an die Republik Österreich (vertreten durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft in Wien:



"Der Ankauf der Liegenschaft erfolgt seitens der Käuferin (somit der Republik Österreich – Anmerkung des Verfassers) zwecks Errichtung eines Bundesseminars für das landwirtschaftliche Bildungswesen und dient somit für Zwecke der öffentlichen Verwaltung."



Am 3. Juni 1954 eröffnete der damalige Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Ökonomierat Franz Thoma das Bundesseminar, das bereits im Herbst 1953 den Unterrichtsbetrieb aufgenommen hatte. Mit der Errichtung der Bildungsstätte wurde im Aufbau des landwirtschaftlichen Schulwesens Österreichs eine bis dahin bestehende Lücke geschlossen.





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