Neues Artenschutzhaus für geschmuggelte Tiere eröffnet

Foto: Daniel Zupanc
Mag.a Dr.in Angelika Schätz, Leiterin der Sektion I (Finanzverwaltung) und Zoll-Generaldirektorin im Bundesministerium für Finanzen, Tiergartendirektor Dr. Stephan Hering-Hagenbeck, Dr. Severin Gruber, Generalsekretär im Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus und Eigentümervertreter der Schönbrunner Tiergarten-Gesellschaft m.b.H., Mag. Alexander Palma, Leiter der Sektion Kulturelles Erbe im Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus.
Im Tiergarten Schönbrunn wurde heute Vormittag das neue Artenschutzhaus im Rahmen eines Medientermins eröffnet. Dieses innovative Projekt, das im ehemaligen „Haus der Schrecken“ realisiert wurde, setzt ein starkes Zeichen im Kampf gegen den illegalen Wildtierhandel. „Das neue Artenschutzhaus ist nicht nur eine neue Attraktion für Tiergartenbesucherinnen und -besucher, sondern sensibilisiert für dieses wichtige Thema. Es wurde ein Zentrum geschaffen, in dem Expertinnen und Experten zusammenarbeiten, um innovative Lösungen für den Artenschutz zu entwickeln und unsere Erkenntnisse zur biologischen Vielfalt voranzutreiben“, so Dr. Severin Gruber, Generalsekretär im Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus und Eigentümervertreter der Schönbrunner Tiergarten-Gesellschaft m.b.H.
Illegaler Wildtierhandel gehört neben Drogen-, Menschen- und Waffenhandel zu den lukrativsten globalen Verbrechen. Wildtiere werden hauptsächlich als Medizin, Nahrungsmittel, Modeartikel, Dekoration, Statussymbol sowie für die Heimtierhaltung gehandelt. „Neben dem Lebensraumverlust stellt der illegale Handel mit Wildtieren eine massive Gefahr für einzelne bedrohte Tierarten und die Biodiversität dar. Viele dieser Tiere werden beim Fang tödlich verletzt oder sterben während des Transports. Der Verlust einer Tierart kann das Gleichgewicht ganzer Ökosysteme massiv beeinflussen. Zoologische Gärten versuchen, dem in vielerlei Hinsicht entgegenzuwirken“, erklärt Tiergartendirektor Dr. Stephan Hering-Hagenbeck.
Vom Koffer in den Tiergarten. In Österreich ist die Zollbehörde für die Bekämpfung des illegalen Handels verantwortlich. Meistens werden Medikamente oder Tierprodukte gefunden. Es werden aber auch lebende Tiere beschlagnahmt. Bei seltenen Tierarten ist der Tiergarten Schönbrunn eine der ersten Anlaufstellen für den Zoll. Im neuen Artenschutzhaus sind nun in 16 Terrarien Tierarten zu sehen, die teils schon vor Jahren durch Beschlagnahmen in den Tiergarten kamen, bislang jedoch größtenteils nur hinter den Kulissen gehalten und erfolgreich nachgezüchtet wurden. Dazu zählen Nachzuchten der stark gefährdeten Dreikiel-Scharnierschildkröte, die für den Fleisch- und Heimtiermarkt geschmuggelt wird und 2015 am Wiener Flughafen beschlagnahmt wurde, aber auch Nachzuchten vom Sandgecko, der häufig für die Heimtierhaltung geschmuggelt wird und 2017 ebenfalls am Flughafen beschlagnahmt wurde. Erstmals zu sehen sind auch Nachzuchten von Krokodilschwanztejus, die 2021 in den Niederlanden beschlagnahmt und an den Tiergarten übergeben wurden. Dem Tiergarten Schönbrunn ist 2023 als erstem Zoo der Welt die Nachzucht dieser südamerikanischen Echsen gelungen.
„Mit dem Aufbau von gesunden Reservepopulationen durch gezielte Nachtzucht außerhalb des natürlichen Lebensraumes leisten wir einen bedeutenden Beitrag zum aktiven Artenschutz. Mit dem neuen Artenschutzhaus holen wir diese Arbeit quasi aus dem Backstage-Bereich des Tiergartens hervor und verknüpfen ihn mit der Aufklärung der Öffentlichkeit über die verheerenden Auswirkungen des illegalen Wildtierhandels“, so Dr. Hering-Hagenbeck.
Kleine Tiere, großer Aufwand! Ein besonders erschütternder Fall von Tierschmuggel sorgt im Jänner 2021 für Schlagzeilen: Über 70 artengeschützte Chamäleons aus Tansania wurden in Socken oder Eisboxen versteckt per Flugzeug nach Wien geschmuggelt. Auf dem Schwarzmarkt hätten die Tiere einen Wert von etwa 37.000 Euro. Die Chamäleons wurden vom Zoll beschlagnahmt und in den Tiergarten Schönbrunn gebracht, wo sie vorsichtig ausgepackt, untersucht und ihre Arten bestimmt wurden. Alle Chamäleon-Arten stammten aus dem Usambara-Gebirge, einer sehr regenreichen und kühlen Region in Tansania. Unter den Tieren waren Jungtiere im Alter von etwa einer Woche bis hin zu erwachsenen Chamäleons. Einige Tiere waren bei der Ankunft schon tot oder starben kurz danach. Wenn geschmuggelte Tierarten an den Tiergarten übergeben werden, ist das erste Ziel, diese Tiere gesund zu pflegen. Im nächsten Schritt ist es das Ziel, diese seltenen Arten erfolgreich zu züchten.
Reservepopulationen als wichtiges Backup. Die Haltung der beschlagnahmten Chamäleon-Arten bedeutet einen gigantischen Pflegeaufwand. „Ein eigener Raum wurde eingerichtet. Eine Tierpflegerin ist den ganzen Tag nur mit der Versorgung der Chamäleons beschäftigt. Doch die professionelle Pflege zahlt sich aus. Mittlerweile konnten wir beinahe alle Arten nachzüchten. So wandeln wir etwas extrem Negatives wie den Tierschmuggel noch in etwas Positives um. Es handelt sich um Tierarten mit einem extrem kleinen Verbreitungsgebiet und einer geringen genetischen Diversität. Hier kann man mit wenigen Tieren wertvolle Back-up-Populationen züchten“, erklärt der zuständige zoologische Kurator Anton Weissenbacher. Nachzuchten der beschlagnahmten Chamäleon-Arten, darunter das Usambara-Dreihornchamäleon, das Nguru-Zwergchamäleon und das Fischers Chamäleon, sind nun erstmals im Artenschutzhaus zu sehen. Welch großer Aufwand dahintersteckt, können die Besucherinnen und Besucher im neuen Artenschutzhaus live erleben. Sie können den Tierpflegerinnen und Tierpflegern bei ihrer täglichen Arbeit über die Schulter sehen, wenn sie Chamäleons füttern und versorgen und Zuchtpaare zusammenstellen.
Artenspürhunde als unersetzliche Helfer. Von großen Fotos von der Landebahn und vom Gepäcksband bis hin zu den Hinweistafeln: Das Artenschutzhaus erinnert optisch an vielen Stellen an den Wiener Flughafen, denn hier wird ein Großteil der geschmuggelten Tiere in Österreich aufgegriffen. Bei Gepäckkontrollen am Flughafen werden die Zollbeamten von Artenspürhunden unterstützt. Das Artenschutzhaus hebt auch die Arbeit der Artenspürhunde hervor, die bei der Aufdeckung von illegalem Wildtierhandel eine unersetzliche Rolle spielen. Innerhalb kürzester Zeit kontrollieren sie große Mengen von Gepäckstücken, ohne dass diese geöffnet werden müssen. Die Artenspürhunde werden im Tiergarten Schönbrunn regelmäßig darauf trainiert, die Gerüche von exotischen Tieren (z.B. Schlangen und Papageien) zu erkennen. Dabei werden frische Geruchsproben (u.a. Reptilienhäutungen und Federn) mit einem vom Hund geliebten Spielzeug verknüpft. Da Hunde einen „guten Riecher“ haben, reichen schon geringe Duftspuren aus.
Mag.a Dr.in Angelika Schätz, Leiterin der Sektion I (Finanzverwaltung) und Zoll-Generaldirektorin im Bundesministerium für Finanzen (BMF): „Seit dem Inkrafttreten des Artenhandelsgesetzes im Jahr 2009 hat das Bundesministerium für Finanzen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den illegalen Handel mit geschützten Arten übernommen. Unsere Zahlen sprechen eine klare Sprache: Über 11.000 geschützte Exemplare wurden in den vergangenen 15 Jahren sichergestellt und beschlagnahmt. Ob Seepferdchen, Krokodilschädel oder Elfenbein, unsere Kolleginnen und Kollegen vom Zoll setzen sich mit großem Engagement dafür ein, dass Österreich keine Drehscheibe für den illegalen Handel von geschützten Arten wird. Unserer Zöllnerinnen und Zöllner sind es, die tagtäglich mit großer Fachkompetenz, Aufmerksamkeit und Entschlossenheit für den Schutz der Artenvielfalt im Einsatz sind. Ob an Flughäfen, an den Grenzen oder im internationalen Postverkehr, ihre Arbeit ist essenziell, um illegale Machenschaften aufzudecken und damit einen bedeutenden Beitrag zum weltweiten Artenschutz zu leisten.“
Information trifft auf Interaktion. Die spannende Ausstellung im neuen Artenschutzhaus, die mit großer Unterstützung des WWF entstanden ist, informiert die Besucherinnen und Besucher über die Hintergründe des illegalen Wildtierhandels und die Maßnahmen, die ergriffen werden, um diesem entgegenzuwirken. In einer speziellen Vitrine sind beschlagnahmte Tierprodukte aus dem Fundus des Zolls, des Naturhistorischen Museums Wien und der eigenen zoopädagogischen Sammlung ausgestellt, wie Schlangenwein, ein getrocknetes Seepferdchen und Stiefel aus Elefantenleder. Das Artenschutzhaus ist aber nicht nur ein Ort der Information, sondern auch der Interaktivität. Eine Scannerstation gibt den Gästen die Möglichkeit, selbst in die Rolle eines Zollbeamten zu schlüpfen und „geschmuggelte“ Tiere in einem Koffer aufzuspüren.
Internationale Zusammenarbeit. Um den illegalen Handel zu bekämpfen, gibt es nationale Gesetze und zwischenstaatliche Abkommen. International wird der Handel von über 36.000 Wildtieren und Wildpflanzen durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES - Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) geregelt – und jährlich werden es mehr. CITES soll sicherstellen, dass der internationale Handel das Überleben der Arten in der Wildbahn nicht gefährdet.
Internationale Organisationen, wie das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), arbeiten eng mit nationalen Behörden zusammen und unterstützen sie in ihren Bemühungen, die Vorgaben aus dem Washingtoner Artenschutzabkommen besser durchzusetzen. Mit Schulungsmaterialien und Aufklärungskampagnen sollen Systeme zur besseren Aufdeckung und Ahndung von Wildtierkriminalität geschaffen werden. Mit dem regelmäßig veröffentlichten World Wildlife Crime Report soll vor allem auf politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit auf Wildtierkriminalität und deren Folgen gerichtet werden.